Die Volkszählung zu Bethlehem





Der Weg zur Krippe führt 2014/15 wegen des Kirchenumbaus zum 'Stall' hinter der Kirche.

Texte zur Szene der Volkszählung finden Sie hier.


Die folgenden Szenenfotos in der Kirche Sankt Michael stammen aus früheren Jahren:












Viele Menschen stehen - vielleicht nicht ganz orientalisch - in langen Schlangen an,
um sich nach Geheiß des römischen Kaisers und unter den wachsamen Augen
seiner Soldaten in die Steuerlisten eintragen zulassen. Penibel nimmt der Steuereintreiber
die Daten auf: In vielen und langen Papierrollen. Unter den Wartenden auch  Maria und Josef. Die Szene verdeutlicht, wie wörtlich das zu verstehen ist, daß Gott wirklich Mensch wird: Er wird hineingeboren in unsere menschlich-allzumenschliche Welt, in die Situation römischer Besatzung seiner Heimat, in eine Bürokratie, die schon damals ein Instrument politischer Macht, wirtschaftlicher Ausbeutung und militärischer Rekrutierung war.



Altes Testament

1.Chr.21:1
Der Satan trat gegen Israel auf und reizte David, Israel zu zählen. David befahl Joab und den Anführern des Volkes: Geht, zählt Israel von Beerscheba bis Dan, und bringt mir Bescheid, damit ich weiß, wie viele es sind. Joab aber sagte zum König: Der Herr möge sein Volk vermehren, hundertmal mehr, als es jetzt ist. Sind denn nicht alle, mein Herr und König, Untertanen meines Herrn? Warum hat mein Herr diesen Wunsch? Warum soll Israel in Schuld geraten? Doch der König beharrte gegenüber Joab auf seinem Befehl. So ging Joab weg und durchzog ganz Israel. Als er nach Jerusalem zurückkam, gab er David das Ergebnis der Volkszählung bekannt. Ganz Israel zählte 1100000 Krieger, die mit dem Schwert kämpfen konnten, und Juda zählte 470000 Mann, die mit dem Schwert kämpfen konnten. Levi und Benjamin hatte Joab nicht zusammen mit ihnen gezählt; denn der Befehl des Königs war ihm ein Greuel. Doch das mißfiel Gott; darum schlug er Israel. 

Eine Volkszählung wird als Sünde des Mißtrauens gegenüber Gott betrachtet;
sie konnte als Nachprüfung des Segens, der sich im Wachstum des Volkes
ausdrückte, verstanden werden.

Neues Testament

Lukas 2:1-3
In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum erstenmal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.


Erklärung

Seltener, als es der imposante Auftakt des Lukas-Evangeliums erwarten ließe, sieht man auf dem Marktplatz einer Krippe einen Amtstisch, an dem ein oder mehrere, nicht unbedingt wohlwollende Beamte bei Büchern und Schriftrollen sitzen und schreiben, hinter sich bewaffnete römische Soldaten, vor ihnen die Eltern des ungeborenen Jesuskindes in einer Volksmenge, die sich zur Einlistung ihrer Personaldaten drängt.

Die vom großen Kaiser Ausustus befohlene VOLKSZÄHLUNG, der reichsweite „census", in Palästina vom syrischen Militärgouverneur durchgeführt, diente periodisch zur Erfassung der Untertanen und Einstufung ihrer Steuerpflicht. Damals soll sie von Spanien über Gallien, Nordafrika und Ägypten bis zum Vorderen Orient rund 55 Millionen freier Bürger ergeben haben. Sie war weder die einzige im Altertum, noch die einzige im römischen Weltreich und blieb auch nicht ohne Nachfolger. Im Königreich Preußen z.B. zählte man ab 1686 regelmäßig die Landbewohner und ab 1725 die Gesamtbevölkerung. Seit dem ersten internationalen statistischen Kongreß im Jahr 1853 sind sie standardisiert, sodaß auch die UNO davon profitiert.

Pieter Brueghel d. Ä. malte 1566 in einem seiner dramatisch bewegten Bilder die Volkszählung im winterlichen Holland. Die große Menschenmenge im kleinen Städtchen Bethlehem, das Walten einer gut organisierten Beamtenschaft der Besatzungsmacht hat bei Pieter Brueghel einen aktuellen politischen Bezug: Über der Zählstelle ist am Haus - fast nicht sichtbar - ein Wappen angebracht, das den habsburgischen Doppeladler zeigt - ein stiller Protest gegen die spanischen Besatzer der Niederlande zu Brueghels Zeiten. Auch heute kann die Darstellung der Volkszählung zu Bethlehem eigene Erfahrungen im Umgang mit der Bürokratie wachrufen. Man denke etwa an die „gastliche Aufnahme", die Flüchtlinge bei uns finden und an die bürokratisch-feindseligen Prozeduren, denen sie unterworfen werden. Hier gerät die Gottesgeschichte in die Mühle irdischer Wirklichkeit.



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