Kundgebung von 12 Gruppierungen der Kölner Friedesnbewegung:
6. August 2020, 17.00 Uhr
Roncalliplatz am Kölner Dom

Ansprache für die Pax-Christi-Gruppe-Köln,
Autor und Sprecher: P. Heribert Graab SJ
Liebe Friedensfreundinnen und -freunde!
Ich spreche heute zu Euch als katholischer Priester,
als Angehöriger des katholischen Jesuitenordens
und als Engagierter in der Friedensbewegung, zumal in Pax Christi.

Es ist sicher nicht die Regel,
daß ein Mensch meines Alters auf einer Kundgebung wie dieser spricht.
Ein Grund, dennoch dazu Ja zu sagen, war:
Ich gehöre zu einer Generation,
die den Zweiten Weltkrieg
und eben auch dessen unfaßbare Schlußkatastrophe miterlebt hat -
diese Tage von Hiroshima und Nagasaki.

Als Kind habe ich unzählige Nächte im Luftschutzkeller verbracht -
zitternd vor Angst, wenn draußen - manchmal ganz nahe -
die Bomben einschlugen und explodierten.
Als 1943 über mir das Miethaus, in dem wir wohnten,
in Flammen aufging und einstürzte, war ich 10 Jahre alt.
Als wir schließlich aus dem Keller herauskriechen konnten,
hatte ich den Eindruck, die ganze Stadt Krefeld brenne lichterloh -
wie eine einzige, riesige Fackel,
die durch den Hitzesturm immer noch mehr angefacht wurde.

Drei Jahre später rückten die Fotos und Berichte aus Hiroshima
all diese persönlichen Eindrücke und Erinnerungen in den Schatten.
Waren die ersten Fotos des Feuer- und Rauchpilzes über Hiroshima
für einen fast 13-Jährigen noch in gewisser Weise faszinierend,
so traten doch sehr bald schon
die Bilder und Berichte vom Tod unzähliger Menschen
und zumal von der nie da gewesenen
und unvorstellbar grauenvollen Art und Weise ihres Todes
in den Vordergrund, frästen sich in mein Bewußtsein ein,
und ließen mich seitdem bis heute nicht mehr wirklich los.

Dementsprechend ging vielen von uns als Jugendliche
schon die Gründung der Bundeswehr und die zunehmende Aufrüstung
gehörig gegen den Strich.
Vor allem im Zusammenhang mit dem sog. NATO-Doppelbeschluß
kam es in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
zu beeindruckenden Manifestationen der wachsenden Friedensbewegung.
Persönlich erlebt habe ich vor allem die überwältigenden Demonstrationen
von 300.000, bzw. 500.000 Menschen gegen Atomwaffen:
Oktober 1981 im Bonner Hofgarten
und Juni 1982in den Bonner Rheinwiesen.
Nicht zuletzt haben mich die jährlich dreitägigen Friedens-Kapitel
der Ordensleute für den Frieden beeindruckt:
Ein buntes und vielfältiges Zeltlager
nahe bei den im Hunsrück gelagerten Pershing-II-Raketen:
mit Gebeten, Gottesdiensten und Nachwachen unmittelbar vor den Toren.

Auf diesem Hintergrund schäme ich mich als katholischer Priester dafür,
daß ein katholischer Militärkaplan, Father George Zabelka,
die Besatzung der Atombomber von Hiroshima und Nagasaki gesegnet
und ihr für diese Flüge viel Erfolg gewünscht hat.
Wenige Tage später beschrieb jedoch eines der Besatzungsmitglieder,
wie Tausende von gekrümmten und schlimm entstellten Körpern
sich im Todeskampf auf dem Boden wanden,
und diejenigen, die noch lebten, mit verbranntem, geschmolzenem Fleisch,
das sich in Fetzen von ihren Körpern löste, ziellos umherirrten.
Diese schockierenden Schilderungen weckten in Zabelka erste Zweifel:
,,Mein Gott, was haben wir getan?“

Nach einigen Jahren des Selbstzweifels konnte er dann bekennen:
„Angesichts dieser schrecklichen Gräueltat,
die von Christen verübt wurde, muß ich als erstes sagen:
Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht.
Ich wurde vom Vater der Lügen gepackt.
Ich nahm an der großen ökumenischen Lüge
der katholischen, protestantischen und orthodoxen Kirchen teil.
Ich trug die Uniform. Ich war Teil des Systems.“

Und weiter sagte er später:
„Inzwischen war ich selbst in Japan, in Hiroshima und auch in Nagasaki.
Am Friedensschrein von Hiroshima habe ich gebetet
und die Überlebenden der Atombombenabwürfe um Vergebung gebeten.
Wir umarmten uns. Wir weinten. Tränen flossen:
Das ist der erste Schritt der Versöhnung:
Schuldeingeständnis und Vergebung.
Ich habe gelernt, und wir Christen alle und die Kirche müssen lernen:
Das militarisierte Christentum ist eine Lüge.
Die steht in völligem Widerspruch
zur Lehre, zum Leben und zum Geist Jesu.“ (Soweit P. Zabelka)

Ich selbst bin heute Papst Franziskus sehr dankbar,
daß er sich vorbehaltlos für Gewaltfreiheit engagiert,
„Gewalt ist eine Schändung des Namens Gottes“, sagt er.
Ich bin ihm dankbar,
daß er die Abschaffung und ein Verbot aller Atomwaffen fordert,
und sich ebenso klar gegen eine Politik der Abschreckung wendet,
und daß er Krieg überhaupt als ein Mittel der Konfliktlösung ächtet.
In Hiroshima sagte Franziskus wörtlich:
„Der Einsatz von Atomenergie zu Kriegszwecken ist unmoralisch,
wie ebenso der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist…
Wir werden darüber gerichtet werden!“
Und ich füge ganz im Sinne von Franziskus hinzu:
Wenn schon der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist,
gilt das selbstverständlich in gleicher Weise
für eine kooperative Lagerung von Atomwaffen bei uns in der Eifel.

Den Worten von Franziskus zum Trotz
halten auch heute noch viele Christinnen und Christen,
und sogar nicht wenige Kardinäle der katholischen Kirche
an der Gewalt- und Kriegsideologie,
und an der Irrlehre vom „gerechten Krieg“ fest.

Erst wenn Politikerinnen und Politiker nirgendwo auf der Welt
mehr eine Mehrheit finden für eine Politik der Gewalt,
wird wirklich Frieden sein auf Erden.
Wir alle sind mitverantwortlich!
Darum mein Schlußapell:
•    Schließt Euch zusammen! Macht alle aktiv mit in der Friedensbewegung - hier in Köln gibt es viele Möglichkeiten dazu.
Pax Christi ist nur eine von ganz vielen,
die heute abend zu diesem Gedenken eingeladen haben.
•    Meßt nicht nur bei Wahlen Eure Kandidatinnen und Kandidaten
an deren Positionen zu Frieden und Gewaltlosigkeit!
•    Nehmt selbst aktiv Einfluß, wenn es z.B. um die Lagerung hochmoderner Atomwaffen in Büchel in der Eifel geht,
oder um die Milliarden,
die für neue Kampfflugzeuge ausgegeben werden sollen - Kampfflugzeuge, die eben diese Atombomben
von deutschem Boden, durch deutsche Piloten
ins Ziel bringen sollen.
•    Setzt Euch dafür ein, daß die Bundesrepublik
endlich den Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen
unterschreibt und ratifiziert!

Friede sei mit uns allen!