Unter dem Kreuz
Der Text des Johannes (Joh. 19,25 ff.) zeichnet das Bild
wie auf einem
Retabel: im Mittelpunkt
das Kreuz, und am Fuß des Kreuzes stehen die Schmerzensmutter und
andere Frauen. Die Mutter wird vom Jünger gestützt, aber sie
steht aufrecht: Stabat mater dolorosa. Sie alle stehen nahe beim
Kreuz; ihre Gegenwart und ihre Haltung sagen viel aus über den
Beistand,
den sie bis zum letzten Moment leisten.
Sie betrachten
Der Blick der Beteiligten fällt auf:
Bestürzung und Erstaunen,
gewiss, auch Unverständnis, ein dumpfer Schmerz, der die Augen
offen
hält, während man sie doch schließen möchte.
Dieser
Blick kontrastiert mit dem der Menge, die zu diesem Schauspiel
herbeigeströmt
war (Lk 23,48). Es könnte auch der stille Blick sein, aus der
Entfernung,
der Blick der Betrachtung, der für die Erklärung auf Den dort
oben verweist. Unter dem Kreuz anwesend, betrachten sie; von weitem
sehen
sie zum Kreuz, nach oben. Auf diesen Blick zum Tod folgt der Blick zum
Leben. In den Botschaften der Auferstehung werden die Frauen und dann
die Apostel dazu aufgerufen, zu sehen, denjenigen zu betrachten, der
sich
offenbart hat: „Er ist gesehen worden" wird es heißen, wenn man
von
den Erscheinungen des Auferstandenen spricht. Jemanden betrachten
bedeutet,
nach und nach in ein Geheimnis einzudringen, ohne es jemals vollkommen
zu begreifen.Wer Christus am Kreuz betrachtet, tritt nach und nach
in das Geheimnis der Liebe Gottes ein. Die Betrachtung des
Kreuzes
kann keine morbide Geste sein. Während der Karfreitagsmeditation
sind wir dazu aufgerufen, den Leib des Herrn zu betrachten, um darin
die
Kraft der Liebe zu schöpfen. Die Christen haben zweifellos in
einer
Spiritualität, die vielleicht nicht immer sehr gesund oder sehr
„christlich"
war, die Betonung zu sehr auf die Betrachtung des Leidens gelegt. In
den letzten Jahren haben Liturgie und Katechese den
gläubigen
Blick eher auf ein vom österlichen Licht erhelltes Kreuz
gelenkt.
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Maria von Magdala
gehört zum engsten Jüngerkreis Jesu. Sie hat
ihn auf all seinen
Wegen und schließlich bis unter das Kreuz begleitet. Unter den
Frauen, die Jesus nachfolgten, hat sie eine besonders herausgehobene
Stellung: Sie ist in der Frühe des Ostermorgens die erste am Grab
Jesu.
Während ihre Augen voller Tränen sind, steht plötzlich
Jesus
selbst hinter ihr. Sie erkennt ihn erst, da er sie mit ihrem Namen
anspricht
und bringt dann nur das zärtliche "Rabbuni" über die Lippen.
Jesus sendet sie zu seinen Jüngern und wird so zur ersten
Verkündigerin
der Osterbotschaft. Daher wird sie in der christlichen Tradition als
Apostelin bezeichnet. Ihre Autorität in der frühen Kirche
kommt
mancherorts
der des Petrus gleich. Daher wird ihr auch eines der apokryphen
Evangelien
zugeschrieben.
Die Salbung Jesu
Die Salbung mit Olivenöl und wohlriechenden
Ölen dient in
biblischen Zeiten nicht nur der Körperpflege, sondern auch dem
Wohlbefinden und wird daher z.B. als eine besondere Aufmerksamkeit
der
Gastfreundschaft verstanden. Auch war es üblich, den Leichnam
Verstorbener
zu salben. (Joh. 19, 40).
Maria von Betanien (!) hatte als Gastgeberin noch sechs Tage vor dem
Paschafest Jesus gesalbt und damit den Widerspruch des Judas
herausgefordert.
Jesus reagiert mit den Worten: "Laß sie, damit sie es für
den
Tag meines Begräbnisses tue." (Joh. 12, 3).
Nach dem Tod Jesu am Kreuz kauften einige Frauen, unter ihnen Maria
von Magdala, wohlriechende Öle, um damit nach dem Sabbat Jesu
Leichnam zu salben. Durch die Ereigenisse des Ostermorgens kam es
nicht
mehr dazu. Maria von Magdala jedoch wird aus diesem Grunde und wohl
auch,
weil man sie mit Maria von Betanien verwechselte, in der
Kunstgeschichte
immer mit einem Salbgefäß dargestellt.
Zum oben gezeigten Bildausschnitt gibt es also keine direkte
Entsprechung in den Evangelien. Es handelt sich eher um ein
Meditationsbild,
das uns einlädt, uns mit Maria Magdalena liebevoll dem gekreu-
zigten
Christus zuzuwenden.
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