Foto: Nida Sinnokrot
Aus der Presse-Information der
Kunststation Sankt Peter:
Am
6. Dezember eröffnete die Kunst-Station Sankt Peter Köln eine
ungewöhnliche Ausstellung mit
dem palästinensisch- amerikanischen Künstler Nida Sinnokrot.
Mit dieser Position nimmt Sankt Peter
am Kölner Krippenweg teil.
Zentrales
Objekt ist die Arbeit Jonah's Whale, eine raum- greifende Installation,
die aus einem
aufgeschnittenen Wohncontainer besteht, der von israelischen Siedlern
bewohnt und anschließend von
Palästinensern weiterver- wendet wurde. Der Container dient dem
Künstler als Symbol des
internationalen Welthandels und ökonomisch-politischen
Kreisläufen, die zu internationalen
Instabilitäten und Konflik- ten führen; zudem sind uns
Wohncontainer als Flüchtlings- unterkünfte und
provisorische Behausungen bekannt.
Das
Werk kommt aus der konfliktreichen Region des heutigen Palästina,
dem Ort der biblischen
Weihnachtsgeschichte. Es verweist aber jeweils weit darüber
hinaus, und bezeichnet globale
Mißstände, koloniale Geschichte und soziale Fragen in
unserer Welt. Der Container scheint als ein
aktuelles Bild des Stalls der herbergslosen Maria und Joseph.
Die
Gemeinde von Sankt Peter läßt sich während der gesam-
ten Ausstellungszeit aus dem Mittelschiff
der Kirche vertreiben. Der Altar ist kaum zu sehen, der Raum ist
besetzt von der Kunst, gefüllt mit
einem Artefakt unserer kapitalisier- ten Alltagswelt. Gerade über
die Weihnachtstage sind uns
Traditionen,
wohltuende Formen und das Gefühl von Familie oder Heimat nah. In
diesem Jahr ist der
Gemeinde der gewohnte Raum durch das Containergerippe genommen; und
umgekehrt! Das Werk
steht in keinem musealen Ausstel- lungsraum als Objekt der Kunst. Es
ist Teil einer spirituellen
Atmosphäre
und Bestanteil des Gemeindelebens, der Mes- sen, Konzerte, der Liturgie
und unserer
Besinnung auf die Menschwerdung Gottes in Bethlehem.
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Zum
Künstler
Nida Sinnokrot
(geb. 1971, USA) wuchs in Algerien auf und lebt und arbeitet heute in
Boston und Jerusalem.
Seine Filme
und
Installationen wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter: KIOSK, Ghent
(2018); Witte de With, Rotterdam (2015); Darat al Funun, Amman (2014); Akademie Schloss Solitude,
Stuttgart (2014); the travelling exhibition Tea with Nefertiti, Mathaf, Doha; Institut du monde
arabe, Paris; Institut Valencia d'Art Modem, Spanien und Staatliches Museum Ägyptischer Kunst,
München (2012- 2014); Bozar Museuni, Brüssel (2008) und
Kunsthalle Exnergasse,
Wien (2004). Sein erster Film „Palestinian Blues" wurde
international mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Nida
Sinnokrot nahm an der 57. Venedig Biennale (2017) teil, sowie an der 13. Sharjah Biennale (2017) und an der
10. Tapei Biennale (2016). Im Moment ist er Assistant Professor am MIT Program in Art, Culture and
Technology (ACT) und Mitgrün- der von Sakiya - Art l Science l Asriculture.
Zum Werk
Das Werk umfasst
einen Schiffscontainer, der einst als Wohn- wagen für israelische
Siedler und später
als palästinensi- sches Baustellenbüro genutzt wurde.
Sinnokrot schnitt den Ready-Made-Container in elf Scheiben und enthüllt
Schichten aus Stahl, Gips, Isolierung, Drähten, Teppichen und einer
Matratze. Der
Titel Jonah's Whale leitet sich von der Geschichte ab, die zum Kodex
aller drei großer
Buchreligio- nen (Judentum, Christentum, Islam) gehört, in der ein
Wal den Propheten Jonah
verschlingt, weil er vor Gott und seinem Auftrag an ihn, die Stadt
Ninive zu retten, flieht.
Als Kontroll- und Standardisierungsmechanismus reguliert die Form des
Schiffscontainers
existierende Kreisläufe, seien sie natürlich, ökonomisch
oder politisch. Mit Jonah's Whale zeigt
Sinnokrot, wie
dieses transnationale Symbol des Welthandels als komplexer Palimpsest
von Macht und Handel im
regiona- len Kontext funktioniert. Das mit Geschichte und Patina
überzogene Objekt
trägt Spuren seiner Reise vom Container über den Karavan bis
zum Baustellenbüro. |
Ergänzend noch aus einem geistlichen Geleitwort des
Pfarrers von Sankt Peter, P. Stephan Kessler SJ:
In diesem Jahr begehen wir Weihnachten an Sankt Peter anders. Mitten in
der Kirche steht die raumgreifende Skulptur von Nida Sinnokrot (*1971):
Ein Container in elf Querschnitten mit konkreten Spuren
unterschiedlicher Nutzung verschiedener Menschen. Zuerst diente er als
Wohnung im Kontext eines israelischen Siedlungsprojekts, dann wurde der
gleiche Raum von
Palästinensern genutzt.
Als Kunstinstallation in Sankt Peter führt der Container ganz
unvermittelt in die historische und aktuelle Wirklichkeit des
Geburtsortes Jesu und in eine globalisierte Welt mit Grenz- ziehungen,
Ausgrenzung, Wohnungsnot und Heimatlosigkeit. Dorthin also sollen wir
gehen, wie es das traditionelle
schlesische Weihnachts-Chorwerk besingt:
„
Transeamus usque ad Bethehem -
Lasst
uns bis nach Bethlehem gellen."
Genau
dahin führt die transnationale Installation im Mittel- schiff von
Sankt
Peter und macht aus der Gemeinde, die Weihnachten feiert, Heimatlose,
Abgewiesene und Vertriebene wie in Bethlehem - damals und heute. Sinn-
lich sind wir so ganz nah am Geschehen der Menschwerdung Gottes.
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In seinen Anweisungen zur meditativen Verinnerlichung des
Weihnachtsgeheimnisses weist Ignatius von Loyola (1491 -1556) den
Suchenden an,
„mit
inneren Augen die Straße von Nazareth
nach
Bethlehem (zu) sehen...
ebenso die Stätte der Geburt (zu)
betrachten,
wie geräumig, wie eng, wie niedrig,
wie hoch sie ist,
und wie ihre Ausstattung war."
Der Container im Kirchenschiff ist eine solche Einladung, um genau zu
sehen und zu erspüren, wie wir im Durcheinander der Gefühle
zum
Geheimnis von Bethlehem gelangen. Vielleicht können wir durch
diesen
zeitgenössischen
Beitrag der Kunst-Station Sankt Peter zum Kölner Krippenweg
sinnlich
nachvollziehen, was Nelly Sachs (1891 -1970) in ihrer Gedichtsammlung
„Flucht und Verwandlung" beschreibt:
In
der Flucht
welch großer Empfang
unterwegs -
...
Anstelle von Heimat
halte ich die Verwandlungen der Welt -
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