Nida Sinnokrot

„Jonah’s Whale“


Installation in der Kunststion Sankt Peter Köln
während der Advents- und Weihnachtszeit 2019/20
Station des Kölner Krippenweges

Ausstellungsdauer: 7.12.2019 bis 26.1.2020

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 12-18 Uhr
und zu allen Gottesdiensten, Konzerten und Veranstaltungen in Sankt Peter


Foto: Nida Sinnokrot
Aus der Presse-Information der Kunststation Sankt Peter:

Am 6. Dezember eröffnete die Kunst-Station Sankt Peter Köln eine ungewöhnliche Ausstellung mit
dem palästinensisch- amerikanischen Künstler Nida Sinnokrot. Mit dieser Position nimmt Sankt Peter am Kölner Krippenweg teil.

Zentrales Objekt ist die Arbeit Jonah's Whale, eine raum- greifende Installation, die aus einem aufgeschnittenen Wohncontainer besteht, der von israelischen Siedlern bewohnt und anschließend von Palästinensern weiterver- wendet wurde. Der Container dient dem Künstler als Symbol des internationalen Welthandels und ökonomisch-politischen Kreisläufen, die zu internationalen Instabilitäten und Konflik- ten führen; zudem sind uns Wohncontainer als Flüchtlings- unterkünfte und provisorische Behausungen bekannt.

Das Werk kommt aus der konfliktreichen Region des heutigen Palästina, dem Ort der biblischen Weihnachtsgeschichte. Es verweist aber jeweils weit darüber hinaus, und bezeichnet globale Mißstände, koloniale Geschichte und soziale Fragen in unserer Welt. Der Container scheint als ein aktuelles Bild des Stalls der herbergslosen Maria und Joseph.

Die Gemeinde von Sankt Peter läßt sich während der gesam- ten Ausstellungszeit aus dem Mittelschiff der Kirche vertreiben. Der Altar ist kaum zu sehen, der Raum ist besetzt von der Kunst, gefüllt mit einem Artefakt unserer kapitalisier- ten Alltagswelt. Gerade über die Weihnachtstage sind uns
Traditionen, wohltuende Formen und das Gefühl von Familie oder Heimat nah. In diesem Jahr ist der Gemeinde der gewohnte Raum durch das Containergerippe genommen; und umgekehrt! Das Werk steht in keinem musealen Ausstel- lungsraum als Objekt der Kunst. Es ist Teil einer spirituellen
Atmosphäre und Bestanteil des Gemeindelebens, der Mes- sen, Konzerte, der Liturgie und unserer Besinnung auf die Menschwerdung Gottes in Bethlehem.



Zum Künstler

Nida Sinnokrot (geb. 1971, USA) wuchs in Algerien auf und lebt und arbeitet heute in Boston und Jerusalem. Seine Filme

und Installationen wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter: KIOSK, Ghent (2018); Witte de With, Rotterdam (2015); Darat al Funun, Amman (2014); Akademie Schloss Solitude, Stuttgart (2014); the travelling exhibition Tea with Nefertiti, Mathaf, Doha; Institut du monde arabe, Paris; Institut Valencia d'Art Modem, Spanien und Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München (2012- 2014); Bozar Museuni, Brüssel (2008) und Kunsthalle Exnergasse, Wien (2004). Sein erster Film „Palestinian Blues" wurde international mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Nida Sinnokrot nahm an der 57. Venedig Biennale (2017) teil, sowie an der 13. Sharjah Biennale (2017) und an der 10. Tapei Biennale (2016). Im Moment ist er Assistant Professor am MIT Program in Art, Culture and Technology (ACT) und Mitgrün- der von Sakiya - Art l Science l Asriculture.

Zum Werk

Das Werk umfasst einen Schiffscontainer, der einst als Wohn- wagen für israelische Siedler und später als palästinensi- sches Baustellenbüro genutzt wurde. Sinnokrot schnitt den Ready-Made-Container in elf Scheiben und enthüllt Schichten aus Stahl, Gips, Isolierung, Drähten, Teppichen und einer
Matratze. Der Titel Jonah's Whale leitet sich von der Geschichte ab, die zum Kodex aller drei großer Buchreligio- nen (Judentum, Christentum, Islam) gehört, in der ein Wal den Propheten Jonah verschlingt, weil er vor Gott und seinem Auftrag an ihn, die Stadt Ninive zu retten, flieht. Als Kontroll- und Standardisierungsmechanismus reguliert die Form des Schiffscontainers existierende Kreisläufe, seien sie natürlich, ökonomisch oder politisch. Mit Jonah's Whale zeigt
Sinnokrot, wie dieses transnationale Symbol des Welthandels als komplexer Palimpsest von Macht und Handel im regiona- len Kontext funktioniert. Das mit Geschichte und Patina überzogene Objekt trägt Spuren seiner Reise vom Container über den Karavan bis zum Baustellenbüro.

Ergänzend noch aus einem geistlichen Geleitwort
des Pfarrers von Sankt Peter, P. Stephan Kessler SJ:

In diesem Jahr begehen wir Weihnachten an Sankt Peter anders. Mitten in der Kirche steht die raumgreifende Skulptur von Nida Sinnokrot (*1971):

Ein Container in elf Querschnitten mit konkreten Spuren unterschiedlicher Nutzung verschiedener Menschen. Zuerst diente er als Wohnung im Kontext eines israelischen Siedlungsprojekts, dann wurde der gleiche Raum von
Palästinensern genutzt.

Als Kunstinstallation in Sankt Peter führt der Container ganz unvermittelt in die historische und aktuelle Wirklichkeit des Geburtsortes Jesu und in eine globalisierte Welt mit Grenz- ziehungen, Ausgrenzung, Wohnungsnot und Heimatlosigkeit. Dorthin also sollen wir gehen, wie es das traditionelle
schlesische Weihnachts-Chorwerk besingt:

„ Transeamus usque ad Bethehem -
Lasst uns bis nach Bethlehem gellen."

Genau dahin führt die transnationale Installation im Mittel- schiff von Sankt Peter und macht aus der Gemeinde, die Weihnachten feiert, Heimatlose, Abgewiesene und Vertriebene wie in Bethlehem - damals und heute. Sinn-
lich sind wir so ganz nah am Geschehen der Menschwerdung Gottes.




In seinen Anweisungen zur meditativen Verinnerlichung des Weihnachtsgeheimnisses weist Ignatius von Loyola (1491 -1556) den Suchenden an,

„mit inneren Augen die Straße von Nazareth nach             Bethlehem (zu) sehen...
ebenso die Stätte der Geburt (zu) betrachten,
wie geräumig, wie eng, wie niedrig, wie hoch sie ist,
und wie ihre Ausstattung war."

Der Container im Kirchenschiff ist eine solche Einladung, um genau zu sehen und zu erspüren, wie wir im Durcheinander der Gefühle zum Geheimnis von Bethlehem gelangen. Vielleicht können wir durch diesen zeitgenössischen
Beitrag der Kunst-Station Sankt Peter zum Kölner Krippenweg sinnlich nachvollziehen, was Nelly Sachs (1891 -1970) in ihrer Gedichtsammlung „Flucht und Verwandlung" beschreibt:

In der Flucht
welch großer Empfang
unterwegs -
...
Anstelle von Heimat
halte ich die Verwandlungen der Welt -